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Grünes Feuer
Das unerwartete römische Erbe Mauritia Albionis bringt Bridget und Dakota erneut in die Schusslinien von Bodhi Bai und der Mafia. Während neue Erkenntnisse über das Schicksal von Colin O’Brians Sohn Finn vieles aus der bisher bekannten Familiengeschichte in neuem Licht erscheinen lassen, tauchen weitere Fragen auf. Hatte Bridgets Vater Liam O’Brian tatsächlich einen Zwillingsbruder? Welche Rolle spielte Bodhis »Ordensfrau« Lorena Walsh in den Wirren des irischen Bürgerkriegs in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg? Und was hat es mit der geheimnisvollen »Babel-Struktur« auf sich? In einem Wettlauf gegen die Zeit machen sich Bridget und Dakota als Nachfolger des »Amy und Gideon Two-Feathers-Autorenpaars« auf, endlich das große Geheimnis des mysteriösen »Meisters der Schatten« zu lösen.
Leseprobe:
Zwei Tage später sitze ich im Warteraum des Notariats von Lorenzo Bellini, das in einem alten, herrschaftlichen römischen Gebäude, nur wenige Schritte von der Piazza Navona entfernt liegt. Er lässt mich nicht lange warten, und schon nach einigen Minuten betrete ich ein Büro mit deckenhohen Holzregalen, antiken Möbeln und schweren Vorhängen, die den Raum in warmes, goldenes Licht tauchen. Nach einer förmlichen Begrüßung setzte ich mich dem Notar in einen ausladenden Ledersessel vis-à-vis, einem Mann in den Fünfzigern mit scharfen Gesichtszügen in einem makellos gebügelten Anzug. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Stapel sorgfältig gebundener Unterlagen.
»Signora O’Brian, ich danke Ihnen, dass Sie nach Rom gekommen sind«, sagt der Notar mit sonorer Stimme. »Es tut mir leid, dass Sie unter diesen Umständen hier sein müssen. Aber ich bin verpflichtet, Ihnen einige Dokumente und einen Nachlass zu übergeben, die allesamt der verstorbenen Dr. Mauritia Albioni gehörten.«
»Ich verstehe, vielen Dank, Signore«, erwidere ich, ohne es zu schaffen, meine Anspannung zu verbergen. »Ich muss ehrlich sagen, ich habe immer noch Schwierigkeiten, das alles zu begreifen. Mauritia war eine Freundin, aber ich hätte nie erwartet, dass sie mich als Erbin einsetzt. Erklären Sie mir, warum ich ausgewählt wurde?«
»Deswegen sitzen wir hier, Signora«, antwortet Notar Bellini in ruhigem professionellem Tonfall, während er das oberste Blatt auf dem Stapel aufschlägt.
»Dr. Albioni hat in ihrem Testament vermerkt, dass sie Ihnen vollständig vertraute. Sie schien zu wissen, dass Sie die moralische Integrität und das Fachwissen besitzen, um mit sensiblen Informationen umzugehen. Dazu kommt, dass sie offenbar keine weiteren Verwandten hatte. Vor einem Jahr, nach ihrem tragischen Tod, wurden viele ihrer Aufzeichnungen und Unterlagen jedoch von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, da sie im Zusammenhang mit einer laufenden Ermittlung standen. Erst jetzt wurde ein Teil davon freigegeben.«
Auszug "Grünes Feuer"
Unruhig flackerten die Kerzen auf dem alten Holztisch, und durch das offene Fenster drang der ferne Klang eines Geigenspiels aus einem der Pubs in Temple Bar. Ein Glas Whiskey in der Hand haltend, lehnte Lorena sich in ihrem Stuhl zurück, während ihr Blick auf Bodhi fiel, der mit ruhigen Bewegungen Räucherstäbchen entzündete. Der Duft von Sandelholz vermischte sich mit dem leichten Geruch von Ruß aus dem Kamin. Hatte er bei seiner Ankunft in Irland vor fünf Jahren noch versucht sie von seiner Unsterblichkeit zu überzeugen, die sie ihm natürlich nicht abgenommen hatte, so waren die Jahre danach dennoch so verlaufen, dass er in ihnen Augen zumindest einige unvergängliche Bausteine in seiner Seele zu tragen schien.
»Nie hätte ich gedacht, dass es so endet«, murmelte Lorena, indem sie das Glas an ihre Lippen führte und Bodhi sich schmunzelnd zu ihr umdrehte.
»So endet? Wir haben doch gerade erst begonnen.«
Sie schnaubte leise, aber in ihren Augen lag eine ungewohnte Sanftheit.
»Du weißt, was ich meine. Als wir uns das erste Mal begegnet sind … ich hätte dich am liebsten aus dem Pub geworfen.«
Leise lachte Bodhi und setzte sich ihr gegenüber. »Das habe ich gespürt, meine Liebe.«
Lorena Walsh war im Irland des schicksalhaften Jahres 1919 als Tochter einer von nationalistischen Idealen geprägten Dubliner Familie zur Welt gekommen. Genau an jenem Januartag, an dem Ihr Vater, Seamus Walsh, an der Seite Finn O’Brians in der Schlacht von Soloheadbeg kämpfte, in der irische Freiheitskämpfer einen britischen Polizeikonvoi überfielen. Was er als einer der wenigen überlebt hatte, um damit zu einem noch überzeugteren Republikaner zu werden, der von nun an sein Leben lang die IRA unterstützen sollte. Auch Lorenas Mutter, die Lehrerin Judith Walsh, dachte patriotisch, doch war sie pragmatischer, indem sie ihrer Tochter eine Zukunft jenseits der Gewalt ermöglichen wollte. Lorena war in einer gebildeten Familie aufgewachsen, in der Diskussionen über Irlands Freiheit zum Alltag gehörten.
Auszug "Grünes Feuer"
Unbarmherzig prasselte der Regen auf das Dach des alten Polizeiwagens, in dem Selma zusammengekauert auf der harten Rückbank saß. Nass und wirr klebten ihre Haare an ihrer Stirn, und ihre Hände umklammerten ihren gewölbten Bauch. Jeder Ruck des Wagens jagte ihr einen neuen Schmerz durch den Rücken, aber sie wagte es nicht zu klagen. Denn sie wusste, dass es nichts nützen würde. Von den beiden Polizisten auf den Vordersitzen kam kaum ein Wort. Nur das Knirschen der Reifen auf dem matschigen Weg und das monotone Ticken des Scheibenwischers erfüllten den Wagen. Doch in Selmas Kopf war es laut. Angst, Wut, Hoffnungslosigkeit – all das schrie in ihr. Kurz vor der Abfahrt hatte eine amtlich auftretende Frau im Tweed-Kostüm sie als ›Schande der Familie und Schande der Stadt‹ bezeichnet. Man würde sie ins ›Bessborough House‹ bringen, von dem sie bereits gehört hatte. Flüsternde Stimmen in dunklen Gassen hatten von Schreien erzählt, von verschwundenen Kindern und Müttern, die nie wieder gesehen wurden. Aber das konnte doch nicht wahr sein. Es war nur ein Heim für Frauen wie sie, oder? Ein Ort, an dem sie zumindest ein Bett und etwas zu essen bekommen würde. Vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden. Mit Tränen in den Augen legte sie den Kopf in den Nacken und schaute an die Decke des Autos. Begleitet von einem tiefen Grollen vermischte sich der vom dunklen Himmel fallende immer heftiger werdende Regen mit Eisperlen.
Auszug "Grünes Feuer"
Selma fuhr zusammen und sah durch das zerkratzte Fenster die Silhouette eines auf einem Hügel liegenden düsteren Gebäudes hinter hohen Mauern, zwischen denen ein schmiedeeisernes Tor langsam unter quietschenden Angeln aufschwang. Eine langgezogene Auffahrt führte, vorbei an kahlen Rhododendren und zum Teil eisbedeckten Rasenflächen hinauf zu einem Herrenhaus, vor dem weiter unten ein zweites Gebäude stand. Erhaben, kalt und mit schweren Eichenholztüren einem französischen Palais ähnelnd. Auf den davorliegenden Stufen verharrten drei Nonnen unter schwarzen Regenschirmen, in dunkle Gewänder gehüllt wie Krähen, die auf ihre Beute warteten. Indem sie die Augen schloss, holte Selma alle Reste noch vorhandener Hoffnungen herbei – sie werden sich kümmern, dachte sie, Nonnen sind gütige Menschen. Aber dann wurde die Tür des Wagens aufgerissen und eine der vermeintlichen Gottesbräute, hochgewachsen und mit strengen Zügen, packte Selma an den Armen, um sie unsanft auf die Füße zu ziehen. »Mitkommen, Mädchen«, sagte sie knapp, ohne Vorstellung und ohne Willkommen. Selmas Knie zitterten, ihr Blick huschte hilfesuchend zu den Polizisten, aber diese wandten sich bereits ab und kehrten dem Heim den Rücken zu. »Bitte, Schwester …«, begann Selma, doch die Nonne schnitt ihr mit scharfem Blick das Wort ab. »Du sprichst, wenn man dich fragt. Und nun komm.«
Auszug "Grünes Feuer"
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